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Hansjörg Kley: Revision des PatG schwächt CH Patentsystem

Hansjörg Kley

Am 12.12.2019 hat das Parlament die Motion 19.3228 Hefti Thomas «Für ein zeitgemässes Schweizer Patent» überwiesen. Deshalb wurde nun ein Vorentwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente vorgestellt
https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/pendent.html#EJPD.

Der Vorentwurf (VE-PatG) zur Änderung des Schweizer Patentgesetzes (PatG) hat das Ziel, das Patentrecht in der Schweiz zu modernisieren und zu revidieren, so dass den Schweizer Innovatoren und Innovatorinnen ein den internationalen Standards entsprechendes Patent die beabsichtige Revision sprechen.

Die Motion Hefti ist in wesentlichen Teilen abzuschreiben. Sie soll aber für eine punktuelle Revision des PatG benutzt werden. Die nachstehend aufgeführten Optionen sind in der Nummerierung dem Bericht entnommen.

«1.2.1 Status quo»

Gemäss Bericht wird festgestellt, dass sich das Schweizer Patentsystem bewährt hat. Diese Feststellung ist vollumfänglich zu bestätigen.

Die Motion Hefti sollte dennoch zum Anlass genommen werden, folgende Änderungen des PatG vorzunehmen:

i) Neuer Artikel, der auf die Rechtsprechung des Bundespatentgerichtes gestützt ist: BPatGer Urteil S2015_001 vom 9. Februar 2015, E. 6.1 (vgl. Seite 13 des Berichtes). Bei der Beantragung superprovisorischer Massnahmen gegenüber einem vermuteten Patentverletzer muss der Antragsteller die Rechtsbeständigkeit des angeblich verletzten Patentes glaubhaft machen. Es ist auf Gesetzesstufe zu regeln, dass ein Bericht vorzulegen ist, der einem Extended European Search Report EESR des EPA entspricht. Die gesetzliche Grundlage dazu ist bereits vorhanden in EPÜ Art. 131(2) (Teil der Schweizer Rechtsordnung) mit «andere gerichtliche Handlungen». Die entstehenden Kosten sind in Form einer Gerichtsgebühr dem betreffenden Antragssteller aufzuerlegen.

ii) Neuer Artikel, der die Erfordernisse an einen Anmeldetag an jene des Patentrechtsvertrags PLT→SR 0.232.141.2 angleicht. Der Gesetzestext muss nicht erfunden werden, er kann sich orientieren an EPÜ Art. 80 und EPÜ Regel 40. EPÜ (→ SR 0.232.142.2 ) und PLT (→SR 0.232.141.2 ) sind Teil der CH-Rechtsordnung.

Basierend auf dem PLT und diesem neuen Artikel wäre festzulegen, dass jede Sprache im Sinne des Standards ISO 639 verwendet werden kann. Innerhalb einer Frist von z.B. 2 Monaten ab Zuerkennung eines Anmeldetages ist eine Übersetzung in eine Amtssprache der Schweiz einzureichen. Diese Übersetzung würde dann dem Schweizer Verfahren zugrunde gelegt. Es ist zu bezweifeln, dass die englische Sprache als Verfahrenssprache mit übergeordneten Schweizer Bestimmungen zulässig ist. Mit den gleichen Überlegungen könnte man z.B. auch chinesisch als Verfahrenssprache zulassen. Wer schon ein Schweizer Patent will, soll sich dabei einer der drei Amtssprachen DE, FR und IT bedienen.

iii) Personenschutzkonforme Regelung der Akteneinsicht nach Veröffentlichung einer Patentanmeldung: Der Name der Einsicht nehmenden Person darf nicht sichtbar werden für später ebenfalls eine Einsicht nehmende Personen.

«1.2.2 Abschaffung des Schweizer Patents»

Der im Bericht geltend gemachte Nachteil (letzter Spiegelstrich auf Seite 11 des erläuternden Berichtes) trifft einfach nicht zu. Eine Abschaffung des Schweizer Patentes geht überhaupt nicht einher mit der Nicht-Einführung eines Schweizer Gebrauchsmusters. Es gibt auch im PLT (→ SR 0.232.141.2) keine Verknüpfung von nationalem Patent und Gebrauchsmuster.

Im Vorspann von Ziffer 1.2.2 wird noch PCT (→SR 0.232.141.1) erwähnt: Es gibt mehrere Staaten des EPÜ (und Staaten in anderen regionalen Patentverträgen), die den sogenannt nationalen Weg aus dem PCT-Verfahren geschlossen haben, Quelle: Jeweils letzte Seite des PCT-Newsletter.

Für das EPÜ sind dies folgende Staaten: BE, FR, GR, IE, LT, LV, MC, MT, NL, SL, SM (IT nicht mehr seit 01.07.2020).

Bei einer Abschaffung des Schweizer Patentes bräuchte es hierzu lediglich eine «Note» des Bundesrates oder des IGE an das IB der OMPI in Genève. Mit den vorgenannten Ländern wäre die Schweiz (und Liechtenstein) immer noch in sehr guter Gesellschaft.

Eine Abschaffung des Schweizer Patentes hätte jedoch einen Bruch mit dem Fürstentum Liechtenstein zur Folge. Dieser Bruch ist unter dem «Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Schutz der Erfindungspatente»→SR 0.232.149.514 zu betrachten.

«1.2.3 Einführung eines Gebrauchsmusters anstelle des heutigen Schweizer Patents»

Die Einführung eines Gebrauchsmusters anstelle des heutigen Schweizer Patents mit Wirkung mindestens für die Schweiz hätte einen Bruch mit dem Fürstentum Liechtenstein zur Folge→SR 0.232.149.514.

Darüber hinaus wird das bestehende nicht geprüfte CH-Patent mit diesem Vorschlag «Gebrauchsmuster» massiv verschlechtert:

  • Schutzdauer 10 Jahre anstelle der 20 Jahre
  • Verfahren und Stoffe/Stoffgemische können nicht geschützt werden, → VE-PatG Art. 87.

«1.2.4 Einführung der Vollprüfung in Kombination mit einer internationalen Auslagerung der Prüfung gewisser Sektoren und/oder Fachgebiete»

Die materielle Bearbeitung einer Patentanmeldung ist eine hoheitliche Aufgabe des Staates. Sie bleibt auch hoheitlich, wenn diese Aufgabe anstelle von einem Bundesamt von einem spezialgesetzlichen Institut (mit eigener Rechnungsführung) wahrgenommen wird.

Dieser Vorschlag ist wegen der Auslagerung abzulehnen und zwar aus folgenden Gründen:

i) Es wird eine Abhängigkeit von einer ausländischen Stelle geschaffen.

ii) Im Prüfungsverfahren kann es erforderlich sein, dass zwischen Anmelder (bzw. seinem Vertreter) ein Gespräch bezüglich inhaltlicher Angelegenheiten erforderlich ist. Solche Gespräche sind selbst im bisherigen IGE-Verfahren wie auch in den Verfahren vor dem EPA üblich. Es kann nicht sein, dass der Anmelder/Vertreter in einer amtlichen Schweizer Angelegenheit mit einer Person einer ausländischen Stelle bzw. Behörde verhandelt.

«1.2.5 Gewählte Lösung (=Vollprüfung schweizerischer Patentanmeldungen, Einspruchsverfahren, Beschwerdeinstanz)»

a) Konzeptioneller Mangel eines vollgeprüften Schweizer Patentes in Bezug auf den Schutz eines Erfindungsgegenstandes und auf allfällig weitere Mitglieder der gleichen Patentfamilie

Die vorgesehene Vollprüfung einer Schweizer Patentanmeldung hat die Konsequenz, dass der Schutzbereich eines Schweizer Patentes mit allfälligen Mitgliedern der gleichen Patentfamilie divergiert. Diese Divergenz war einer der hauptsächlichen Gründe der Einführung des EPÜ. Es ist ferner festzustellen, dass wohl kaum jemand mit einer zu prüfenden Schweizer Patentanmeldung beginnt und innerhalb des Prioritätsjahres Nachanmeldungen im Ausland (z.B. EP, WO, CN, US, JP, RU oder KR) tätigen wird.

b) Aussenpolitische Wirkung

Die aussenpolitische Wirkung ist unter dem Kontext eines mit der EU abzuschliessenden Rahmenabkommens zu sehen.

Mit diesem VE-PatG signalisiert die Schweiz in Europa – insbesondere vis-à-vis der EU eine zusätzliche desintegrative Rolle.

Ein Alleingang der Schweiz ist nicht per se schlecht. Vorliegend kommt einfach hinzu, dass für diesen Alleingang die hiesigen Anmelder/Patentinhaber keinen Vorteil haben, im Gegenteil: die unter a) genannten Mängel würde alle Anmelder von der Einzelfirma bis zu einem multinationalen Unternehmen gleichermassen treffen.

c) Komplexität einer Minoritäten-Lösung

Der mit dieser Lösung erforderliche gesetzgeberische Aufwand mit Einspruchsverfahren und der Beschwerdeinstanz BVGer für das Prüfungs- und Einspruchsverfahren ist disproportional zu der Nutzung durch Anmelder, Patentinhaber und Einsprechende; Begründung:
Die zukünftigen Nutzer einer Schweizer Vollprüfung sind potentiell solche, die die Mittel für eine EP- Anmeldung oder eine PCT-Anmeldung mit Bestimmung/Auswahl EP oder CH nicht aufbringen können oder nicht aufbringen wollen. Diese Nutzer werden bei einem Schweizer Verfahren vor dem IGE nur in singulären Fällen eine Verfügung des IGE mit einer Beschwerde beim BVGer anfechten wollen.

Mit einem Personalbestand der Prüfungsabteilung von schätzungsweise 40 Personen kann eine Vollprüfung von Schweizer Patentanmeldungen für die Gesamtheit der Technikgebiete gemäss IPC nicht abgedeckt werden.

Ohne den gegenwärtig in der Prüfungsabteilung des IGE angestellten Prüfern nahetreten zu wollen, ist es auch nicht so, dass diese Prüfer von einem Tag auf den andern anstelle einer Formalprüfung auf eine Vollprüfung bezüglich Neuheit, erfinderischer Tätigkeit und ausreichender Offenbarung umstellen können. Die Angaben einer einstelligen Anzahl von zusätzlichen Prüfern beim IGE sind mindestens unglaubwürdig.

d) Finanzielle Auswirkungen, untergeordnete Rolle der Gebührenhöhe für Patentanmelder/Patentinhaber

Die im Bericht angegebenen Anmeldezahlen für eine Vollprüfung von Schweizer Patentanmeldungen sind in Zweifel zu ziehen, die bisherigen industriellen Anmelder werden aus den unter a) genannten Gründen die bisherige Anmeldestrategie EP/PCT beibehalten.

Die Erfinder von Schweizer Patentanmeldungen werden wohl die gleiche Qualifikation wie jene von EP-Anmeldungen haben. Somit ist auch eine zu erwartende Erteilungsrate gleich wie beim EPA, nämlich als Beispiel für das Jahr 2015: 48%.

Die zu erwartende Einspruchsrate gegen vollgeprüfte Schweizer Patente ist als deutlich tiefer als jene vor dem EPA anzusehen, da in der Schweiz die Bereitschaft für eine immaterialgüterrechtliche Auseinandersetzung vor einem Amt oder einem Gericht deutlich geringer ist als z.B. in DE ist. Die Einspruchsrate vor dem EPA liegt bei etwa 6% der erteilten Patente.

Somit ist das Thema «Minoritäten-Lösung» mit der Angabe von relativen Zahlen hinreichend belegt und damit ist auch belegt, dass für die Umsetzung der gesetzgeberischen Vorgaben für Beschwerde und Einspruch ein völlig unvertretbarer Aufwand zu leisten ist. Es ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich die Anzahl Beschwerden für Prüfung und Einspruch im tiefen einstelligen Bereich (pro Jahr!) bewegen wird, wenn überhaupt Beschwerden eingereicht werden sollten! Noch einmal: Wer nicht bereit ist, die Gebühren für die Verfahren vor dem EPA aufzuwerfen, ist erst recht aus finanziellen Gründen nicht bereit, in einem Schweizer Verfahren den Beschwerdeweg hinsichtlich Prüfung und Einspruch zu beschreiten.

Hansjörg Kley hat bei Siemens Schweiz AG in Zürich als «European Patent Attorney» für verschiedene Siemens-Gesellschaften und weitere Gesellschaften in der CH und weltweit sehr zahlreiche Verfahren vor dem EPA geführt; wovon bei über 330 europäischen Patentanmeldungen als Vertreter.

Seit 2011 ist H. Kley beim «European Patent Institut» epi Ratsmitglied für die Schweiz.

In den Jahren 2007 bis 2019 war H. Kley Herausgeber des «Kommentar zum EPÜ 2000». Das ist jener deutschsprachige Kommentar, der von den Kandidaten der EQE am meisten verwendet wurde.